E-Government und Digital Citizenship in Europa? (03.09.2018)
„In ganz Europa stellt man sich die Frage, wie wir mit Digitalisierung umgehen sollen.“, so Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau in seiner Eröffnung der Auftaktveranstaltung unserer diesjährigen Europa-Projektwochen „Digit@lokratie? eu.demokratie.digitalisierung“ (3.-17.09.2018). Am 3. September 2018 hatten Bürger_innen im Dortmunder Rathaus die Möglichkeit, über Chancen und Gefahren einer digitalisierten Politik zu diskutieren. Europaexpert_innen haben unter der Leitfrage „E-Government und Digital Citizenship in Europa?“ in World Cafés ein breites Wissensangebot im direkten Bürgerdialog vermittelt. Durch den Abend führte Journalist Kay Bandermann.
Was versteckt sich hinter E-Government und Digital Citizenship?
Die beiden Begriffe E-Government und Digital Citizenship sind noch jung und vor allem in der aktuellen Debatte um die voranschreitende Digitalisierung immer wieder Thema.
Unter E-Government versteht man einerseits die elektronische Abwicklung der Geschäftsprozesse von Regierungen und öffentlichen Verwaltungen, andererseits die informationstechnologische Zugänglichkeit zu Verwaltungsangeboten. Praktisch passiert dies beispielsweise in der Zusammenarbeit zwischen den EU-Institutionen oder durch das Online-Angebot der EU zu Arbeit und Engagement im europäischen Kontext.
Die Digital Citizenship und Digital Citizens sind Teil einer digitalen Gesellschaft, in der man weitgehende Möglichkeiten besitzt, um eben diese Technologien dafür zu nutzen, sich aktiv in der Gesellschaft zu engagieren. Dabei stehen besonders die Sicherheit des Einzelnen und die Effektivität der Nutzung der Angebote im Mittelpunkt.
Die Europa Cafés im Überblick
Der Politikwissenschaftler Thalis Weizmann setzte sich mit der Frage auseinander, ob es eine Digital Citizenship in der EU gibt. Im Austausch mit den Bürger_innen zeigte sich dabei die Relevanz grundsätzlicher Fragen: „Ist der Zugang zum Internet als solcher ein Menschenrecht?“, fragt ein Bürger. Im europäischen Rahmen spielen zunächst Fragen der Zugänglichkeit neuer digitaler Chancen eine Rolle.
Andreas Christ vom Team Europe der Europäischen Kommission diskutierte darüber, inwiefern E-Government eine politische Zukunft in der EU hat. Dies erklärte er am aktuellsten Beispiel: der Online-Konsultation zur Sommerzeit. Auf der einen Seite war man sich einig, dass durch solche Umfragen, auch wenn sie nicht bindend sind, durchaus ein demokratischer Mehrwert entsteht. Aber das Beispiel zeigt auch die Anfälligkeit der Methode, so Christ: Es haben sich an der Konsultation einige Länder kaum bis gar nicht beteiligt, während die deutliche Mehrheit der Abstimmenden aus Deutschland kam.
Welche Richtlinien braucht der digitale Raum?
Diese Frage beschäftigte Dr. Elke Steven von der Digitalen Gesellschaft e. V. Sie sieht vor allem die in diesem Jahr in Kraft getretene Datenschutz-Grundverordnung in der EU als positiv an. Ein kurzer Film leitete ein, wie wichtig Datenschutz bei Fragen des Einsatzes informationstechnologischer Methoden ist. Im Gespräch merkte ein Bürger diesbezüglich an: „Ich kaufe dort ein, wo ich weiß, was mit meinen Daten passiert.“ Bei allen Chancen, die die Digitalisierung also biete, solle stets auch die Privatsphäre des Einzelnen bedacht werden, resümierten die Teilnehmer_innen.
Möchte man die Offenheit der Daten auch im staatlichen Sinne erreichen, müssen die Verwaltungsprozesse selbst eine Transparenz über ihre Inhalte offenbaren. Wie das in Europa von statten geht und welche Bedeutung Open Data zu Gute kommt, erläuterte Damian Paderta vom Open Knowledge Lab. Dabei gehe es nicht um personenbezogene Daten, sondern in erster Linie um Verwaltungsdaten über die Arbeit auf allen Ebenen: von Kommune über Land und Bund bis hin zur EU.
Poetry Slam und Podiumsdiskussion mit Publikum
Im Anschluss an die World Cafés brachte der Poetry Slammer Rainer Holl weiteres Gedankenfutter ein: „Der Algorithmus bestimmt, was man tut, was man kennt“ – auch seine Darstellung der Thematik zeigte neben Möglichkeiten die Gefahren der beschleunigten Digitalisierung auf.
Die Referent_innen fassten infolgedessen die Ergebnisse ihrer einzelnen Cafés zusammen und gaben ein abschließendes Bild über ihre Themen und die Gespräche mit den Bürger_innen. Auch hier war die Diskussion offen und die Bürger_innen hatten die Möglichkeit, Fragen zu stellen und zu debattieren. Es dominierte die skeptische Perspektive, die für mehr Transparenz und Vorsicht eintritt. Der hohe Wert von Daten, vor allem persönlicher, bereitete Sorge, denn Regierungen können genauso wie private Unternehmen Daten für falsche Zwecke missbrauchen. Auf der anderen Seite kritisierte ein Bürger die zu späte Öffnung der Politik für digitale Themen. Die EU, aber auch Deutschland, habe sich im weltweiten Vergleich nicht früh genug um eine zukunftsfähige Digitalpolitik gekümmert, die allen gleichermaßen nütze.
Beim anschließenden Imbiss wurde in lockerer Atmosphäre über die gesammelten Erfahrungen des Abends gesprochen sowie die verschiedenen Eindrücke der Veranstaltung ausgetauscht.
Die Veranstaltung „E-Government und Digital Citizenship in Europa?“ fand im Rahmen der Europa-Projektwochen 2018 „Digit@lokratie? eu.demokratie.digitalisierung“ (3.-17.09.2018) statt. Sie wurde vom Europe Direct Dortmund und der Auslandsgesellschaft.de e.V. in Kooperation mit der Stadt Dortmund und dem DGB Dortmund-Hellweg organisiert und von der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) gefördert.
Text: Junes Katilah
Fotos: © Auslandsgesellschaft.de e.V.