Frankreich: „Referendum über Europa“

Frankreich: „Referendum über Europa“

Nachdem im ersten Wahlgang der diesjährigen Präsidentschaftswahl Frankreichs keiner der Kandidatinnen und Kandidaten eine absolute Mehrheit an Wählerstimmen erreichen konnte, kommt es nun am Sonntag, den 24. April 2022, wie schon im Jahr 2017, zu einer Stichwahl zwischen dem amtierenden Präsidenten und europäischen „Visionär“ Emmanuel Macron (La République en Marche) und der rechten Herausforderin Marine Le Pen (Rassemblement National).

Der Wahlausgang gilt als richtungsweisend für die Zukunft der Europäischen Union und die Zukunft der deutsch-französischen Freundschaft. Macrons Europaminister Clément Beaune nennt die Abstimmung ein „Referendum über Europa“.

Wofür steht Le Pen?

„Das System ist in Panik. Da sie das Erwachen des Volkes spüren“, verkündete Marine Le Pen feierlich auf ihrer Wahlkampfrede in Bordeaux. Sie ist seit Jahren das Gesicht der Neuen Rechten Frankreichs. Die Tochter des ehemaligen rechtspopulistischen Politikers und Front National Gründers Jean-Marie Le Pen proklamierte bei der Präsidentschaftswahl noch 2017 ein Frexit Referendum und den Euro-Austritt.

„Ende der EU“

Obwohl diese Forderungen offiziell nicht mehr vertreten werden, würde eine Wahl Le Pens, Experten wie dem luxemburgischen Außenminister Jean Asselborn zufolge, einen fundamentalen Umbruch Europas als Wertegemeinschaft bedeuten und die ganze EU verändern. Die Politikerin, die behauptet, dass es „kein europäisches Volk gibt“, wolle ein „europäisches Bündnis der Nationen“ aufbauen und setzt somit auf eine nationale Souveränität während Macron ein stärkeres Europa fordert. Dieser warnt vor einem Auseinanderbrechen der EU im Falle eines Wahlsieges seiner Kontrahentin: „Es wäre das Ende der Europäischen Union und das Ende der deutsch-französischen Partnerschaft. Man muss das Kind beim Namen nennen”, konstatierte der Amtsinhaber in dieser Woche gegenüber dem Nachrichtenblatt „Ouest-France”.

„Sie schlägt vor, den französischen Beitrag zum EU-Haushalt zu senken, auf den Vorrang des Europarechts vor dem nationalen Recht zu verzichten, aus dem europäischen Energiemarkt auszusteigen, Franzosen bei der Jobvergabe gegenüber Ausländern zu bevorzugen und Grenzkontrollen wiedereinzuführen wie zu der Zeit von 1990.”, so Macron weiter.

Macrons Pläne

Ein Einzug Le Pens in den Élysée-Palast würde ein Ende der Prosperität der EU und der europäischen Werte wie Demokratie, Fortschritt und Frieden bedeuten, die Frankreich unter Macron bisher verkörperte. Seine ambitionierten Pläne für die Europäische Union umfassen drei zentrale Vorgaben: Die Stärkung der europäischen Souveränität, ein neues Wachstumsmodell für die Staatengemeinschaft und die Schaffung eines humaneren Europas. Außerdem sprach sich der französische Präsident für eine „neue Runde von Sanktionen” gegenüber Russland aus. Eine konsequente Durchführung von Sanktionen wäre mit der Russlandnahen Le Pen nicht möglich.

Bundeskanzler Olaf Scholz ruft die Französinnen und Franzosen zusammen mit den Regierungschefs Pedro Sánchez und António Costa aus Spanien und Portugal indirekt zur Wahl Macrons. In der Tageszeitung „Le Monde“ artikulieren sie ihre Hoffnung, dass die Bürgerinnen und Bürger „ein Frankreich wählen, das unsere gemeinsamen Werte verteidigt“.