Polen ist noch nicht verloren. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. (12.01.2022)

Polen ist noch nicht verloren. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. (12.01.2022)

Am 12.01.2022 lud das Europe Direct Dortmund, zusammen mit der Auslandsgesellschaft.de, den Jungen Europäischen Föderalisten Ruhrgebiet und der Europa Union Dortmund, zum Online-Gespräch ein. Thema war unser Nachbarland Polen. Diskutiert haben Malgorszata Burek, eine lange in Deutschland lebende Polin, die die polnische Opposition unterstützt und im Verein Mitte 21 aktiv ist, und Siebo Janssen, Politologe und Historiker, der an mehreren Fachhochschulen und Universitäten Seminare zu Europa gibt. Die Moderation hat Jochen Leyhe, Lehrer für Französisch und Politik an einem Gymnasium in Bonn, übernommen.

Wie steht es um die Rechtsstaatlichkeit Polens?

Nach einer kurzen Begrüßung und Vorstellung der Referierenden, beginnt das Gespräch mit der Frage nach der Unabhängigkeit der Justiz. Siebo Janssen erzählt, dass seit einigen Jahren, in denen die rechtspopulistische PiS (Prawo i Sprawiedliwość, deutsch: Recht und Gerechtigkeit) in Polen regiert, ein systematischer Umbau der Justiz beobachtet werden könne. Richter:innen, die sich nicht anpassen wollen, würden abgebaut. Janssen würde damit nicht sagen wollen, dass es keine Rechtsstaatlichkeit in Polen gäbe, jedoch sei die Unabhängigkeit nicht gegeben und das ginge gegen die EU. Daraufhin fragte Jochen Leyhe Malgorszata Burek, ob die Zivilbevölkerung dies im Alltag merke. Burek antwortete darauf, dass die zahlreichen Reformen Prozesse verlängern würde und die Menschen länger auf ihre Gerichtstermine warten müssen.

Im Chat wurde die Frage nach dem Ausschluss Polens aus der EU gestellt, da die Justizreformen laut Verurteilung des Europäischen Gerichtshofes widerrechtlich sind. Janssen erklärte, dass dies wegen der Lissabonner Verträge nicht möglich sei. Die EU sei machtlos, da sie nicht als Staat konzipiert sei, somit über keine Souveränitätsübertragung verfüge und es schwierig sei, einzugreifen. Später im Gespräch kam auch die Frage nach dem sogenannten Polexit auf. Dieser sei aber unrealistisch, da Polen das Geld der EU brauche, so Janssen.

Opposition, Parteienlandschaft und Wahlen

Aber wie steht es eigentlich um die polnische Opposition? Janssen erklärte, dass die größte Oppositionspartei Polens die Bürgerplattform (Platforma Obywatelska, PO) sei, ihr wohl bekanntester Politiker wäre Donald Tusk, der bereits viele EU Aufgaben übernommen hat. Die eigentlich liberal-konservative Partei vereinige viele verschiedene Positionen. Im Chat wurde dann geschrieben, dass es in Polen keine Opposition gäbe und sowieso keine andere Partei als die PiS die Chance habe, die Wahlen zu gewinnen. Dies sieht Burek anders, sie sei optimistisch, da es momentan auch nach keiner Mehrheit für die PiS aussähe. Auch Janssen sähe Chancen für die Opposition, auch wenn die Medienlandschaft Polens stark von der Vorherrschaft der PiS geprägt sei. Die Zivilgesellschaft sei stark und verhindere einen noch härteren autoritären Machtanspruch.

Durch die Diskussion kam die Frage nach Wahlen und möglichen Wahlfälschungen auf. Janssen erklärte, dass keine großen Wahlfälschungen nachgewiesen werden konnten. Burek erzählte außerdem, dass sie als Wahlhelferin tätig war und es aufgrund des genutzten EU-Systems unmöglich wäre, im großen Stil Wahlen zu fälschen. Die Wahlen waren frei und werden frei sein, meinte sie. Ob sie fair seien, sei eine andere Sache.

Die EU als Feindbild

Die EU würde instrumentalisiert werden. Die PiS nutze sie als Feindbild, sie sei an allem schuld, so Burek auf eine Frage im Chat zum Bild der EU. Leyhe warf daraufhin ein, dass auch Deutschland als Feind dargestellt werde und viele vom 4. Reich, dass die neue Ampel-Koalition hier in Deutschland bringen würde, sprächen. Janssen meinte darauf, dass diese Propaganda bereits ein alter Hut sei – Propaganda at it’s worst, sozusagen. Jedoch würde sich das Deutschlandbild, trotz PiS, zum positiven wenden, ergänzte Burek.

Die USA hingegen würde durchweg positiv betrachtet werden, so Burek auf die Frage von Leyhe. Diese gute Beziehung käme nicht zuletzt vom zerrütteten Verhältnis zu Russland. Die USA habe einen großen Einfluss auf Polen, so habe Präsident Duda zum Beispiel ein Pressegesetz gegen den Willen der PiS abgelehnt, da die USA dies verurteilt hätte, erzählt Janssen.

Wie werden Migrant:innen in Polen gesehen?

Putin handle sehr provokativ, ihm hätte die Situation an der polnisch-belarussischen Grenze gefallen, so Janssen. Auf die Frage nach der Akzeptanz von Migrant:innen hin, antwortete Burek, dass diese stark gestiegen sei. Früher hätte man wenige andere Sprachen in Polen gehört, heute sei es bereits normal, dass zum Beispiel viel Ukrainisch gesprochen würde. Auch an der polnisch-belarussichen Grenze würden die Menschen helfen. Viele Leute sympathisieren sich mit den Ukrainer:innen, da sie die gemeinsame Angst vor Russland verbinde. Generell seien aber Veränderungen in der ganzen EU zu spüren, Pushbacks – das Unwort des Jahres – würden sowohl in Polen, als auch in Griechenland passieren.

Zum Abschluss betonte Burek nochmal, dass es eine starke, gut organisierte Zivilgesellschaft in Polen gäbe. Vor allem in den Großstädten sei ein Wandel zu beobachten.

 

Text: Lisa Bednarz