Pressefreiheit in Europa – Aktuelle Entwicklungen
Der am 3. Mai zum Welttag der Pressefreiheit veröffentliche Bericht von der Menschenrechtsorganisation „Reporter ohne Grenzen“ macht deutlich: Die Lage der Pressefreiheit hat sich in den letzten Jahren deutlich verschlechtert – auch in Europa. Die Krisen, Kriege und Konflikte der heutigen Zeit haben zu vielfältigen Repressionen geführt, die teilweise in gewalttätigen Konflikten mündeten.
„Morde und Entführungen, Verhaftungen und körperliche Angriffe sind bloß unterschiedliche Ausprägungen desselben Problems: Regierungen, Interessengruppen und Einzelpersonen wollen Medienschaffende mit Gewalt daran hindern, unabhängig zu berichten. Dieses Phänomen beobachten wir in allen Teilen der Welt, ob in Russland, Myanmar oder Afghanistan – oder selbst in Deutschland, wo die Aggressivität gegenüber Journalistinnen und Journalisten auf ein Rekordhoch gestiegen ist“, sagte RSF-Vorstandssprecher Michael Rediske. Die Entwicklung habe laut Lutz Kinkel, dem Leiter des „Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit“, „sehr viel mit dem Aufschwung von Rechtspopulisten zu tun“. Populismus lasse keinen Platz für kritische Journalisten und freie Meinungsäußerung.
Das Recht auf freie Meinungsäußerung, Medienfreiheit und Pluralismus ist fest in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert. Dennoch ist auch in einigen EU-Staaten die Presse- und Meinungsfreiheit unter Druck.
Polen und Ungarn: Freie Presseorgane aber „keine Pressefreiheit”
In Ungarn sind die klassischen Medien Print, Radio und Fernsehen überwiegend in der Hand der Regierung. Die regionale Presse ist laut „Reporter ohne Grenzen“ seit Sommer 2017 vollständig im Besitz Orbán-freundlicher Unternehmer. Darüber hinaus existieren schwarze Listen mit kritischen Journalistinnen und Journalisten. “Wir haben noch freie Presseorgane in Ungarn, aber wir haben keine Pressefreiheit mehr.”, konstatierte Attila Babos, Journalist und Mitgründer des unabhängigen ungarischen Internet-Portals “Szabad Pécs” gegenüber dem Nachrichtenportal Deutsche Welle.
Auch in Polen wurde die konservative Regierung der PiS-Partei für ihren Umgang mit der Pressefreiheit im Land stark kritisiert. Ihr Ziel ist die „Repolonisierung“ der Medien – also die Zurückdrängung ausländischer Investoren vom Medienmarkt. Im Fokus steht der letzte große regierungskritische Fernsehsender TVN, der dem „US-Konzern „Discovery“ angehört. Auch die europäische Kommission verurteilt die derzeitigen Entwicklungen in dem Mitgliedsland. „Starke Demokratien heißen Medienpluralismus und Meinungsvielfalt willkommen und kämpfen nicht dagegen“, schrieb Kommissionsvizepräsidentin Vera Jourova am 12. August 2021 in einem Twitter-Post.
Pressefreiheit-Ranking: Deutschland rutscht ab
Der veröffentlichte World Press Freedom Index 2022 zeigt, dass die Pressefreiheit in fast 40 Prozent der europäischen und zentralasiatischen Länder als „problematisch“ eingestuft werden kann. Dabei ist Griechenland das Land mit dem schlechtesten Ranking der EU-Länder. Auch Belgien, die Niederlande und Slowenien vielen im Ranking ab. In Deutschland hat sich die Lage gemäß dem Bericht ebenfalls verschlechtert. Die Bundesrepublik liegt auf der publizierten Rangliste nun drei Plätze tiefer als noch vor einem Jahr: auf Rang 16 – hinter Ländern wie Litauen, Jamaika und den Seychellen.
Die Menschenrechtsorganisation begründete das Abrutschen Deutschlands mit einigen Negativ-Faktoren. “Für diese Entwicklung sind drei Gründe zentral: eine Gesetzgebung, die Journalistinnen und Journalisten sowie ihre Quellen gefährdet, abnehmende Medienvielfalt sowie allen voran Gewalt bei Demonstrationen.” „Die meisten der Angriffe ereigneten sich bei Protesten des ‘Querdenken’-Spektrums gegen Corona-Maßnahmen, an denen regelmäßig gewaltbereite Neonazis und extrem rechte Gruppen teilnahmen. Medienschaffende wurden bespuckt, getreten, bewusstlos geschlagen. Betroffene klagten häufig über mangelnde Unterstützung durch die Polizei. Zudem wurden zwölf Angriffe der Polizei auf die Presse dokumentiert“, so Reporter ohne Grenzen weiter.
„Eine starke Demokratie braucht eine starke Presse.“
Das Europäische Parlament erkennt die Zeichen der Zeit und intensiviert das Engagement für Journalistinnen und Journalisten. Im Rahmen einer Plenardebatte am 03. Mai in Straßburg brachten die Politikerinnen und Politiker ihr Besorgnis über die zunehmenden Angriffe auf Journalisten zum Ausdruck und betonten, dass eine freie Presse für das Funktionieren der Demokratie unerlässlich sei. Parlamentspräsidentin Roberta Metsola sagte in einer kurzen Erklärung vor der Debatte: „Journalisten sollten niemals zwischen der Aufdeckung der Wahrheit und dem Überleben wählen müssen. Sie sollten nicht gezwungen sein, viele Jahre und ihre Ersparnisse zu investieren, um sich gegen missbräuchliche Gerichtsverfahren zu wehren. […] Eine starke Demokratie braucht eine starke Presse.“
Den Grundsatz der Stärkung der Demokratie durch eine Stärkung der Pressefreiheit wollen auch wir vom Europe Direct Zentrum Dortmund im Rahmen der drei Veranstaltungen unserer Projektwochen „Am Kiosk in ganz Europa – Herausforderung europäische Medienöffentlichkeit“, „Pressefreiheit in Europa – und vor der eigenen Haustür?“ und „Less Freedom without Press Freedom – Perspectives from Poland and Hungary“ fördern.
Text: Tim Patrick Müller