Tierschutz in Europa: Strenge Richtlinien, mangelhafte Umsetzung?

Tierschutz in Europa: Strenge Richtlinien, mangelhafte Umsetzung?

Vor einigen Tagen bestätigte die Europäische Kommission, dass sie bis 2023 einen Legislativvorschlag vorlegen wird, der die Käfighaltung von einer Reihe von Nutztieren verbieten soll. Dies ist eine Reaktion auf die Europäische Bürgerinitiative (EBI) „End the Cage Age“, die sich seit drei Jahren für die Abschaffung der Käfighaltung einsetzt. Schon seit vielen Jahren gilt die EU bereits als Vorreiter auf dem Gebiet des Tierschutzes; die aktuelle Meldung ist nur eine von vielen Punkten, in denen sich die EU für das Wohlergehen von Tieren einsetzt. Doch wie steht es wirklich um den Tierschutz in Europa? Wir geben einen Überblick über historische Entwicklungen, aktuelle Maßnahmen und Europa im internationalen Vergleich.

Europäische Richtlinien zum Tierschutz der letzten 40 Jahren

Eine der ersten Richtlinien zum Tierschutz war das Europäische Übereinkommen zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlichen Tierhaltungen, welches im Jahr 1978 in Kraft trat. Ziel des Übereinkommens war die Sicherstellung, dass Tieren in landwirtschaftlichen Tierhaltungen bei der Haltung, Fütterung und Pflege keine unnötigen Leiden oder Schäden zugefügt werden. Dieses Übereinkommen wurde in den Folgejahren erweitert und durch Richtlinien zur Haltung von spezifischen Tierarten ergänzt. Ein wichtiger Schritt war die Richtlinie über den Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere aus dem Jahr 1998, das weitere Bestimmungen zur artgerechten Haltung und dem generellen Wohlergehen von Tieren festlegte. Es war allerdings erst im Jahr 2009 mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon, dass Tiere als „fühlende Wesen“ anerkannt wurden. Diese Anerkennung legte aber den Grundstein für zahlreiche weitere Richtlinien, die das Wohlergehen der Tiere weiter schützen sollten.

So trat zum Beispiel im Jahr 2009 ein Verbot von Tierversuchen für Kosmetika in Kraft, welches 2013 durch ein Vermarktungsverbot ergänzt wurde. Seitdem ist es also vollständig verboten, in der EU Kosmetikprodukte herzustellen oder zu verkaufen, die an Tieren getestet wurden. Im Jahr 2018 forderte das EU-Parlament darüber hinaus ein globales Verbot von Tierversuchen für Kosmetika. Des Weiteren gab es in den Jahren 2012 bis 2015 die Strategie der EU für den Schutz und das Wohlergehen der Tiere, deren Ziel es war, die bestehende Gesetzeslage zu erweitern und die adäquate Umsetzung der Richtlinien in den Mitgliedsstaaten sicherzustellen. Im Jahr 2017 richtete die Kommission die „Plattform für den Tierschutz“ ein, ein Netzwerk zum Austausch zwischen Regierungen, Wissenschaftlern und Unternehmen, um die richtige Umsetzung der Tierschutz-Richtlinien zu gewährleisten.

Aktuelle Maßnahmen: „Vom Hof auf den Tisch“

Aktuelle Entwicklungen im europäischen Tierschutz finden im Rahmen des Europäischen Grünen Deals statt. Ein Kernelement des Deals ist die Strategie „Vom Hof auf den Tisch“, mit welcher die EU vorhat die Lebensmittelproduktion nachhaltiger zu gestalten. Im Bereich des Tierschutzes bedeutet dies, dass eine umfassende Evaluierung der aktuellen Tierschutzrichtlinien durchgeführt wird, auf deren Basis die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) Empfehlungen für Optimierungen der aktuellen Gesetzeslage vorschlagen wird. Ziel ist es dabei, das Wohlergehen der Tiere in landwirtschaftlicher Tierhaltung, sowie beim Transport und bei der Schlachtung zu steigern. Auch der Legislativvorschlag zur EBI „End the Cage Age“ wird im Rahmen der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ behandelt werden. Des Weiteren wurden zwei weitere Europäische Bürgerinitiativen von der Europäischen Kommission registriert, die sich für die Bereiche des Tierschutzes und der nachhaltigeren Lebensmittelversorgung engagieren. Falls diese die notwendige Unterstützung erreichen, wird die Kommission auch auf diese antworten. Generell laufen im Rahmen der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ einige Entwicklungen in der Lebensmittelindustrie, welche die Gesundheit nicht nur von Tieren, sondern auch von Menschen, fördern sollen. Eine Errungenschaft der Strategie ist zum Beispiel, dass bereits ein Verhaltenskodex für verantwortungsvolle Praktiken in der Lebensmittelversorgung von 65 Unternehmen und Verbänden unterzeichnet wurde.

Europa als Weltspitze, starke Diskrepanzen unter den Mitgliedstaaten

Im weltweiten Vergleich ist die EU klar führend im Bereich Tierschutz. So lässt es sich zumindest aus dem Animal Protection Index (API) der Tierschutzorganisation „World Animal Protection“ entnehmen. Dort schneiden europäische Länder klar vor den meisten außereuropäischen Ländern ab. Allerdings gibt es innerhalb Europas starke Diskrepanzen zwischen den Mitgliedsstaaten. Hier zeigt sich, dass die Richtlinien der EU nur dann tatsächlich wirkungsvoll sind, wenn sie auch von den einzelnen Staaten dementsprechend umgesetzt werden. Ein häufiger Kritikpunkt sind zum Beispiel Tierversuche. Obwohl diese seit 2013 vollständig in der EU verboten sind, werden nach wie vor Inhaltsstoffe für Kosmetika an Tieren getestet. So kritisiert zum Beispiel der Bundesverband für Tierversuchsgegner e.V.  stark die von der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) geduldeten Umgehungen des Tierversuchsverbots. Generell lässt sich also festhalten: Obwohl das Wohlergehen von Tieren in der EU gut geschützt ist, gibt es nach wie vor Schwierigkeiten, die beschlossenen Richtlinien auch auf angemessene Weise in den einzelnen Mitgliedsstaaten umzusetzen.

 

Text: Dorothea Ullrich