Am Kiosk in ganz Europa – Herausforderung europäische Medienöffentlichkeit (08.06.2022)

Am Kiosk in ganz Europa – Herausforderung europäische Medienöffentlichkeit (08.06.2022)

Bei der Auftaktveranstaltung “Am Kiosk in ganz Europa – Herausforderung europäische Medienöffentlichkeit“ der diesjährigen Europa-Projektwochen zum Thema Pressefreiheit diskutierten die Teilnehmenden mit den Experten über die Wichtigkeit und möglichen Barrieren eines transnationalen europäischen Journalismus. Zu Gast waren Elisa Simantke, die als Journalistin und Geschäftsführerin für den europäischen Rechercheverbund Investigate Europe tätig ist, Oliver Noyan, Leitender Redakteur Deutschland beim Europapolitik-Medium EURACTIV und Moritz Hergl, Redaktionsleiter des mehrsprachigen Webmagazins treffpunkteuropa.de. Die Journalistin Nora Varga übernahm die Moderation der Veranstaltung.

Europäische Medienöffentlichkeit – eine große Chance

Die Teilnehmenden der Veranstaltung sind sich einig: Wir brauchen eine stärkere mediale Öffentlichkeit, die (Sprach-)räume in Europa überwindet oder miteinander verbindet. Vor allem, um europäische Debatten nicht mehr ausschließlich durch die nationale Linse zu betrachten, sondern den transnationalen Austausch und die Diskussion zwischen den Bürgerinnen und Bürgern der einzelnen Mitgliedstaaten zu fördern. Somit könnte auch die Europapolitik eine größere Rolle in der Berichterstattung spielen. Momentan werde vor allem über die EU berichtet, wenn „der Demokratieprozess bereits abgeschlossen ist. Dadurch gewinnt der europäische Gedanke nicht an Bedeutung“, kritisierte Moritz Hergl. Eine Berichterstattung über europäische Diskussionsthemen vor einer parlamentarischen Entscheidung würde die Europäerinnen und Europäer in den demokratischen Prozess einbinden. Für Hergl steht fest: Über die europäische Perspektive kann man die EU den Menschen „auf einer persönlichen Ebene vertraut machen.“ Außerdem stoße eine transnationale Perspektive „neue Debatten in den verschiedenen Ländern an“, ergänzte Oliver Noyan.

Herausforderungen und mögliche Lösungen

Neben diesen Chancen bringt die Realisierung der europäischen Medienöffentlichkeit auch einige Herausforderungen mit sich. Unter anderem sei es durch Algorithmen, die den Nutzerinnen und Nutzern ähnliche Inhalte zu dem bereits konsumierten Content vorschlagen und zur Bildung von sogenannten „Bubbles“ auf den Social-Media Plattformen beitragen, zunehmend schwieriger Personen außerhalb des pro-europäischen Spektrums für europäische Themen zu begeistern. „Leute die sich eventuell für EU-Politik interessieren könnten werden dadurch leider nicht erreicht“, bilanzierte Noyan. Eine mögliche Lösung: Die Kreation von „neuen europäischen Formaten, Videos, oder Webinaren, um die Kontexte und Messages in die Welt zu tragen“, konstatierte Simantke, die mit dem europäischen Newsportal „Investigate Europe“ auf Youtube  mehrere Tausend Zuschauerinnen und Zuschauer mittels kreativer Videos und Beiträge erreichen konnte. Darüber hinaus sei es förderlich den anderen Mitgliedstaaten den Zugriff auf öffentlich-rechtliche Inhalte zu ermöglichen und Mediatheken besser zu vernetzen, erklärte Hergl. Eine weitere Herausforderung sei laut Noyan auch das “konservative” Medienverhalten vieler Menschen in Europa.

Klar ist auch: Ein gemeinsamer medialer Raum kann ohne ein Engagement für die Pressefreiheit nicht zustande kommen. Vor allem in Ländern wie Polen, Ungarn oder Griechenland müssen unabhängige Mediennetzwerke unterstützt werden. Außerdem dürfe man „nicht vergessen, dass die Arbeitsumstände für Journalisten überall schwieriger werden“, appellierte Simantke.

Ein wichtiger, einfacher, erster Schritt sei es laut Oliver Noyan transnationale Medienpartnerschaften einzugehen um einen intensiven Austausch zu ermöglichen. Darüber hinaus sei auch die Zusammenarbeit zwischen der Zivilgesellschaft und der Medienlandschaft und der Diskurs zwischen der Politik und der Bevölkerung wichtig um eine offene und tolerante Gemeinschaft im Sinne der europäischen Werte zu schaffen und Konzepte wie eine gemeinsame Medienöffentlichkeit realisieren zu können.

Wir halten fest: Eine europäische Medienöffentlichkeit fördert den Austausch, die Diskussion, den Demokratieprozess und das Interesse an europäischen Politik. Trotz der Schwierigkeiten und Herausforderungen ist es wichtig, sich weiterhin für die Pressefreiheit und eine europäische Ebene in der Berichterstattung und der medialen Öffentlichkeit zu engagieren.

 

Text: Tim Patrick Müller