Extremismus und Rechtspopulismus in Europa (11.01.2016)
Am 11. Januar 2016 begrüßte das Europe Direct Informationszentrum Dortmund die Leiterin der Europäischen Akademie Bayern, Birgit Schmitz-Lenders, um mit ihr über den Einfluss von Extremismus und die Rolle des wachsenden Rechtspopulismus in Europa zu sprechen.
Zu Beginn ging es um die Frage, wie sich Extremismus und Rechtspopulismus voneinander unterscheiden und was die beiden Begriffe miteinander verbindet. Die Unterscheidung ist primär ideologischer Art. Rechtsextremistische Einstellungen basieren meist auf grundsätzlicher Ablehnung gesellschaftlicher Vielfalt, Toleranz und Offenheit und stellen häufig den Versuch dar, die aktuellen politischen, ökonomischen und sozialen Probleme auf eine einzige Ursache zurückzuführen. Extremismus verweist also auf die fundamentale Ablehnung der mit ihm verbundenen gesellschaftlichen und ökonomischen Gegebenheiten. In diesem Zusammenhang stellen rechtsextremistische Parteien Anti-System-Parteien dar, während rechtspopulistische Parteien sich eher als Gegenstimmen bzw. alternativer Weg zum etablierten politischen System sehen und innerhalb eines gesetzlich legitimierten Rahmens versuchen, ihre Ziele durchzusetzen.
Frau Schmitz-Lenders erklärte in diesem Zusammenhang, dass Rechtspopulismus die Ängste und Vorurteile der Bevölkerung in den Mittelpunkt stelle und von einer charismatischen Leitfigur angeführt werde. Rechtspopulistische Parteien versuchen demnach, Unbehagen und Ängste potentieller Wähler_innen zu kanalisieren. Dabei grenzen sich rechtspopulistische Parteien sowohl gegen andere Parteien und die herrschende Elite, als auch gegen anders denkende, Fremde und Ausländer_innen ab. Rechtspopulistische Parteien nutzen einen starken Personenkult, gezielte Tabubrüche und die Selbststilisierung zum Opfer als Methoden der Inszenierung. Als zentrales Mittel werde immer wieder das Spiel mit den Ängsten genutzt, was Frau Schmitz-Lenders eindrucksvoll an Wahlplakaten rechtspopulistischer Parteien aus verschiedenen EU-Ländern aus den vergangenen Jahren demonstrierte.
Welche Schwerpunkte setzen rechtspopulistische Parteien in ihrer Politik? Frau Schmitz-Lenders verwies auf drei Bereiche, nämlich Souveränität, Identität und Sicherheit, die die großen Themen rechtspopulistischer Parteien widerspiegeln. Auch hier wird die Abgrenzungstendenz deutlich: Die EU wird als Feind gesehen, der Islam auch, und es wird eine Null Toleranz Strategie verfolgt, um die eigenen Ziele durchzusetzen. Sowohl die Auflösung von sozialen Klassen und Gruppen als auch die Folgen der Globalisierung sowie das Selbstbild als „Erneuerer der Nation“ sind nach Frau Schmitz-Lenders gesellschaftliche Ursachen für den Erfolg der Rechtspopulist_innen.
Frau Schmitz-Lenders veranschaulichte anhand verschiedener rechtspopulistischer Parteien, dass die Einordnung dieser Parteien von nationalistisch bis offen radikal und neonazistisch stark variiert. Dies trägt zu der Erklärung bei, warum die rechtspopulistischen Parteien im Europäischen Parlament so lange für die Formierung ihrer Fraktion „Europa der Nationen und der Freiheit“ gebraucht haben. Weitere Gründe für die verspätete Gründung sind die Kriterien zur Aufstellung einer Fraktion seitens der EU. Sie muss mindestens 25 Abgeordnete aus 7 Mitgliedstaaten umfassen.
Als Fallbeispiel stellte Frau Schmitz-Lenders die Strukturen und den Werdegang des Front National (FN) in Frankreich dar. Bemerkenswert ist, dass der FN durch Marine Le Pen „entdiabolisiert“ werden soll. Dabei geht es unter anderem um die Abschaffung explizit rechtsextremen Ideenguts, die Verbannung von rechtsextrem einstufbarem Jargon und einen wirtschaftspolitischen Kurswechsel. Weiterhin zeigt sich, dass der FN verschiedenste Wählergruppen bedient, sodass sowohl Arbeiter_innen als auch junge Menschen sowie das Großbürgertum sich in der Wählerschaft des FN wieder finden.
Festzuhalten bleibt, dass rechtspopulistische Parteien seit den 1990er Jahren mehr und mehr salonfähig geworden sind. Dabei verbinden Antiislamismus und das Feindbild EU rechtspopulistische Parteien auf supranationaler Ebene miteinander.
Fraglich bleibt, warum rechtspopulistische Parteien an Aufwind gewonnen haben. Liegt es daran, dass sie Themen ansprechen, die die etablierten Parteien vermeiden? Und wäre es besser solche Parteien zu verbieten? Frau Schmitz-Lenders betonte abschließend, dass sich rechtspopulistische Parteien selbst entlarven würden, so wie in vielen deutschen Landtagen geschehen, wenn sie in die Verantwortung genommen werden und dadurch zeigen, dass außer Abgrenzung gegen andere kaum inhaltliche Beiträge geliefert werden.
Im Anschluss an Frau Schmitz-Lenders Präsentation entwickelte sich ein angeregtes Gespräch mit dem Publikum. Hier wurde auch an andere europäische Themen angeknüpft, die die Besucher_innen der Veranstaltung beschäftigten.
Text: Natalie Menn, Auslandsgesellschaft NRW e.V.
Foto: © Auslandsgesellschaft NRW e.V.