Zukunftswerkstatt zur Europawahl 2019 mit der Gesamtschule Kamen (07.05.2019)
Was haben wir eigentlich von der Europäischen Union? Was haben ihre Institutionen für uns getan? Warum ist die Europawahl 2019 so wichtig? Diese und viele weitere Fragen erarbeiteten wir am 7. Mai 2019 mit Schüler*innen der Gesamtschule Kamen in unserer Zukunftswerkstatt zur Europawahl 2019. Ihre Wünsche und Ideen besprachen die Jugendlichen mit Klaus Wegener, Präsident der Auslandsgesellschaft.de e.V., welcher als Europa-Experte eingeladen war.
Der Gang durch die Institutionen
Zu Beginn der Zukunftswerkstatt gab es ein Warm-up, um herauszufinden welche Positionen und Erfahrungen die Jugendlichen bereits mit der EU hatten. Es zeigte sich, dass die Mehrheit der Gruppe viel in der EU gereist war, viele verschiedene Währungen neben dem Euro zu Hause liegen hatte und so schon Vorteile der EU wie grenzenloses Reisen und den Euro schätzen gelernt hatte. Fast alle konnten sich zudem als Europäer*in identifizieren. Auf die Frage, warum sich einige Teilnehmer*innen nicht europäisch fühlten, wurde geantwortet, dass sie nicht viel über die EU wüssten. Freudig kommentierte eine der Teamerinnen: „Dann ist es gut, dass ihr hier seid.“ und leitete damit die EU-Institutionenkunde ein. Dabei handelte es sich um eine Einarbeitung in die einzelnen EU-Institutionen in Gruppenarbeit und die anschließende Weitergabe dieses Wissens an den gesamten Kurs im Rahmen eines Museumsrundgangs.
Politik für alte Menschen
Nachdem eine gemeinsame Wissensbasis gefunden war, sollten sich die Jugendlichen Gedanken über das Wählen machen: Warum sollte man daran teilnehmen oder auch nicht? Die Schüler*innen sprachen von Bürgerpflicht und politischer Mitbestimmung. Sie merkten aber auch an, dass intransparente Entscheidungen, zu lange Wahlprogramme und nicht eingehaltene Wahlversprechen zu Frustration führen, welche in ihren Augen der Hauptgrund für mangelndes politisches Interesse der Jungwähler*innen seien. Sie sahen einen eindeutigen Zusammenhang zwischen einer niedrigen Wahlbeteiligung von Erstwähler*innen, wie bei der Europawahl 2014, und dem Mangel an Politik abgestimmt auf die Bedürfnisse jüngerer Bevölkerungsschichten. Politik werde für alte Leute gemacht, weil die jungen Leute nicht wählen, sagte ein Schüler.
Die Teamerinnen wollten ebenfalls wissen, welche Ansichten die Jugendlichen zur EU haben: Was finden sie gut und was schlecht? Positiv schätzten die Schüler*innen vor allem die Reisefreiheit und die Freiheit, überall in der EU studieren zu können ein. Aber auch die Warenfreiheit in Verbindung mit der Zollunion lobten sie. Ebenfalls gefallen würde ihnen das Gemeinschaftsgefühl in Europa, welches sie durch die europaweiten Fridays for future-Proteste selbst spüren konnten. Betont wurde des Weiteren, dass Europa nur mit Hilfe der EU genug Macht und Mitbestimmung auf internationaler Ebene habe, um in Fragen zu Wirtschaft und Klima anderen Großmächten entgegentreten zu können. Natürlich durfte und sollte auch Kritik an der Europäischen Union geäußert werden. Unzufrieden waren die Jugendlichen vor allem mit der mangelnden Zusammenarbeit und Einigung zwischen den Mitgliedsstaaten, vor allem bei den Themen Umwelt und Flüchtlingsverteilung. Frust gab es aber auch hinsichtlich der Digitalisierung und hier insbesondere im Zusammenhang mit Artikel 13/17.
Angelehnt an diese Kritikpunkte überlegten sich die Schüler*innen Verbesserungsvorschläge und formulierten ihre persönlichen Wünsche für die EU. Der wichtigste Vorschlag bestand in einer fokussierteren Informationspolitik der EU. Es wurden kürzere und konkretere Wahlprogramme gefordert sowie mehr Informationen zu den Europawahlen und über Europapolitik in den sozialen Medien, am Arbeitsplatz und in Schulen. Drei Themen lagen ihnen zudem besonders am Herzen: der Ausbau der Digitalisierung, eine konsequentere Umweltpolitik und mehr politische Mitbestimmung von jungen Menschen, unter anderem durch ein Wahlrecht ab 16 Jahren. Diese Themen wollten sie im Interview mit dem Expertenbesuch der Zukunftswerkstatt besprechen.
Im Gespräch mit Klaus Wegener
Special guest der Zukunftswerkstatt war Klaus Wegener, Präsident der Auslandsgesellschaft.de e.V. Eine Stunde lang durften die Schüler*innen ihn mit Fragen löchern. Beim Thema Umweltpolitik verstand Herr Wegener die Schüler*innen gut und stimmte ihnen zu, dass Müll, vor allem Plastikmüll, eines der größten Probleme unserer Zeit sei. Er hielt eine Plastiksteuer in der EU für eine gute Idee, betonte jedoch, dass man nicht nur an der Müllentsorgung, sondern vor allem an der Müllvermeidung in Europa arbeiten müsse. Auch in anderen Bereichen, wie der Reduzierung von CO2 und dem Atomausstieg, stimmte er den kritischen Meinungen der Jugendlichen zu. Er erklärte sachlich, wo die Konfliktlinien zwischen den Mitgliedsstaaten verlaufen und sprach sich deutlich für eine europäische Lösung aus, da nur die EU als Ganzes genug Druck auf einzelne Staaten ausüben könne, sich an Richtlinien und Verträge zu halten. Zum Ende dieses Themenblocks mahnte er, dass Nachhaltigkeit das zentrale Thema der Zukunft werden müsse, um das Leben auf unserem Planeten zu schützen. „Meine Generation hat auf Kosten eurer Generation gelebt.“, sagte er zu den Schüler*innen.
Wann kommt die Digitalisierung?
Das zweite wichtige Thema für die Teilnehmer*innen der Zukunftswerkstatt war die mangelnden Maßnahmen im Bereich Digitalisierung in Deutschland. Wegener stimmte dem vorbehaltlos zu und erzählte von anderen EU-Mitgliedsstaaten wie Estland, welche bereits „durchdigitalisiert“ wären. Hier sei ein Voneinander Lernen unter den Mitgliedsstaaten sinnvoll. Zum Ende des Expertengesprächs fand Herr Wegener klare Worte zur politischen Situation in Europa: Die EU habe ein Selbstverständlichkeitsproblem. Mit „70 Jahren Frieden“ als Argument allein würde man die Jugend nicht mehr von ihr überzeugen können. Es brauche eine neue zündende Idee, um für Europa zu begeistern.
Nachdem sich Herr Wegener verabschiedet hatte, führten die Teamerinnen in die Europawahlprogramme der deutschen Parteien ein und ließen die Jugendlichen das Prozedere einer Europawahl in einer Simulation erleben. Auf Musterstimmzetteln durften die Schüler*innen ihr Kreuz setzen. Das Wahlergebnis sah wie folgt aus:
Die Zukunftswerkstätten zur Europawahl 2019 sind ein Projekt des Europe Direct Dortmund in Zusammenarbeit mit der Stadt Dortmund und den Jungen Europäischen Föderalisten NRW e.V. Die Veranstaltung wurde mit Unterstützung des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung durchgeführt.
Text von: Karin Bienkowski, Auslandsgesellschaft.de e.V.
Fotos: © Karin Bienkowski, Auslandsgesellschaft.de e.V