Peter-Weiss-Gesamtschule Unna: Zukunftswerkstatt zur Europawahl 2019 (13.02.2019)
Zusammen mit Schüler*innen der Peter-Weiss-Gesamtschule Unna hat das Europe Direct Dortmund am 13. Februar 2019 einen genaueren Blick auf die EU und die kommende Europawahl 2019 geworfen: Was wünschen sich die Jugendlichen von der Europäischen Union? Was kann verbessert werden? Welche Vorteile bringt die EU? Diese und weitere Fragen wurden in verschiedenen Diskussionsrunden besprochen. Unterstützung bekamen die Jugendlichen dabei von dem Sprecher im Ausschuss für Europa und Internationales im NRW-Landtag, Rüdiger Weiß.
Schon im Warm-up des Tages stellte sich heraus, dass alle teilnehmenden Schüler*innen zur Europawahl am 26. Mai 2019 gehen wollen, und dass sie sich größtenteils als Europäer*innen sehen. Ein gutes Vorzeichen also für Motivation für die weitere Arbeit des Tages.
So ging es über in die Institutionenkunde, bei der das Vorwissen über die Organe der EU aufgefrischt wurde. In Expertengruppen erschlossen sich die Jugendlichen die einzelnen Institutionen und teilten ihre Erkenntnisse mit den Mitschüler*innen. Mit profundem Wissen über die EU ausgestattet, starteten die Jugendlichen in die Diskussionen.
Warum an der Europawahl teilnehmen, wollten die Teamer*innen zunächst von den Erstwähler*innen wissen. Es sei ein Privileg, wählen zu dürfen, sagten einige. Außerdem kam die Sprache auf die abgelehnten transnationalen Listen für das Europäische Parlament. Für manche Teilnehmer*innen wäre ihre Einführung ein weiteres, zu kompliziertes Prozedere für die EU gewesen; sie sei so schon komplex genug. Andere wiederrum befürworteten die transnationalen Listen, da dadurch ermöglicht würde, Kandidaten*innen aus anderen Ländern zu wählen, die die eigenen Interessen besser vertreten. Im weiteren Verlauf diskutierten die Jugendlichen zudem Kritikpunkte sowie positive Aspekte der EU und überlegten gemeinsam, welche von ihnen sie mit dem Experten Rüdiger Weiß besprechen wollen.
Diskussion mit Rüdiger Weiß
Der Sprecher im Ausschuss für Europa und Internationales im NRW-Landtag, Rüdiger Weiß, wurde im anschließenden Expertengespräch ordentlich in die Mangel genommen.
Zunächst waren allgemeine Fragen von Interesse, wie zum Beispiel: Was machen Sie eigentlich im Ausschuss für Europa und Internationales?
Weiß kümmert sich darin um die Politik, die Europa betrifft. Dies umfasst vor allem die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen, Programme wie Erasmus+ sowie das Sicherstellen der fairen Verteilung von EU-Förderungen.
Wie erlebe Weiß die Identifizierung der EU-Bürger*innen mit der EU, wurde im Anschluss gefragt. Und wie könne man diese Identifikation stärken?
Weiß stufte die Zustimmung zur EU in Deutschland relativ hoch ein, wohingegen sie in anderen EU-Staaten nicht so positiv ausfalle, z.B. in den Niederlanden oder in Schweden. Seiner Meinung nach sei das Gebilde der EU sehr gebrechlich, so Weiß. Der positive Blick auf die EU könne durch bessere Informationsvermittlung gestärkt werden. Es müsse verdeutlicht werden, wie wichtig und gut die EU für jeden Mitgliedstaat sei. Der Grundgedanke der friedenssichernden EU dürfe nicht zu abstrakt an die junge Generation, „also euch“, so Weiß, herangeführt werden. Denn die jungen Bürger*innen könnten mit dem Schlagwort „70 Jahre Frieden“ wenig anfangen, da sie ein Europa im Krieg nicht kennen. Außerdem müssten Gesetze der EU besser erklärt werden, so dass deutlich würde, wieviel Gutes darin stecke.
Wäre ein zentrales europaweites Bildungssystem möglich?
Der Trend gehe in Richtung Abitur. Die Hauptschule sterbe nicht nur in Deutschland, sondern auch in den anderen Mitgliedsstaaten aus. Dennoch habe Deutschland eines der verstricktesten Schulsysteme in der EU, so Weiß.
Mit dieser Antwort gaben sich die Schüler*innen allerdings nicht zufrieden und bohrten weiter nach, ob die EU die Schulen in den einzelnen Mitgliedsländern nicht darin unterstützen könnte, ein standardisiertes Bildungssystem zu etablieren. Dies sei nicht so einfach, bemerkte Weiß, da die Mitgliedstaaten der EU im Bereich Bildung keine Kompetenzen übertragen habe. Sie dürfe hier schlichtweg nicht aktiv werden; der Bereich sei alleiniges Handlungsfeld der Nationalstaaten.
„Wenn die Mitgliedsstaaten es noch nicht einmal schaffen Flüchtlingsströme zu kanalisieren, wie soll dann ein gemeinschaftliches Bildungssystem entstehen?“
Selbst in Deutschland habe man Schwierigkeiten, eine einheitliche Messlatte im Bildungssystem zu generieren. Umso komplizierter sei es für einen Zusammenschluss von mehreren Staaten, dies zu erreichen. Seiner Ansicht nach sei hingegen ein Schulfach, welches sich nur der EU widme, zu befürworten, so Weiß.
Ein weiterer Schüler wollte von Weiß wissen, wie Europa seiner Ansicht nach in sieben Jahren aussehen würde.
Er sei kein Hellseher und könne dementsprechend nicht in die Zukunft blicken, startete Weiß. Er würde sich jedoch eine starke Europäische Union wünschen. Bedauerlicherweise würde er jedoch nicht darauf wetten, dass es die EU in sieben Jahren noch gebe. Solange Nationalist*innen eine aufstrebende Macht blieben, sei es unklar, wie es um die Zukunft der EU bestellt sei. In unserer Gesellschaft und bei den einzelnen Bürger*innen müsse realisiert werden, dass es den Mitgliedstaaten ohne die EU schlechter gehen würde. Doch diese Erkenntnis könne nur von den EU-Bürger*innen selbst kommen.
Was würden Sie am ehesten an der EU-Politik ändern wollen, Herr Weiß?
Das, was er auch in Deutschland ändern würde: Es sollen keine Unterschiede zwischen den Menschen gemacht werden. Weiß fügte hinzu, dass Nationalitäten behalten werden könnten, jedoch solle über den Tellerrand geschaut werden. Schließlich kommen alle EU-Bürger*innen aus Europa. Es sollte eine Verbindung durch die kulturellen Gemeinsamkeiten und vieler anderer Themen, die gemeinsam geteilt werden, gewonnen werden.
Weiterführend war die Souveränitätsfrage für die Jugendlichen von großem Interesse: Inwieweit sollte mehr Souveränität an die EU-Institutionen abgegeben werden? Wird die EU jemals ein einheitlicher Staat werden?
Laut Weiß sollte mehr Macht an die EU-Institutionen abgegeben werden, um enger zusammenarbeiten und Standards anpassen zu können, jedoch sei dies ein unwahrscheinliches Szenario, da es für die meisten Mitgliedsstaaten absolut nicht in Frage käme.
Dass die EU jemals ein einheitlicher Staat werde, sei laut Weiß eher eine Wunschvorstellung. Der Egoismus der Nationalstaaten und der Drang, die nationale Identität zu bewahren, seien zu groß. Diese Aufgabe würde bedeuten, dass man 500 Millionen Menschen erklären müsste, dass sie von nun an ausschließlich Europäer*innen seien, sagte Weiß. Eine mögliche Lösung des engeren Zusammenwachsens sei, gewisse Staaten als Art Vorreiter zu haben. Auf Basis ihrer intensiveren Zusammenarbeit könnten die anderen Mitgliedstaaten die Vorteile der EU als einheitlichen Staat sehen und sich anschließen.
Warum ist es wichtig, zur Europawahl 2019 zu gehen, fragten die Jugendlichen Weiß abschließend.
„Wer nicht zur Wahl geht, verschenkt seine oder ihre Stimme.“ Jede Stimme, die nicht abgegeben werde, komme Parteien zugute, die einer europäischen Zusammenarbeit skeptisch oder sogar ablehnend gegenüber eingestellt seien. Diese würden mehr Macht und Einfluss auf die EU erhalten.
Simulation der Europawahl 2019
Abschließend hatten die Jugendlichen die Möglichkeit, die Europawahl 2019 zu simulieren und sich so mit dem Wahlprozedere vertraut zu machen. Dem Wahlergebnis war zu entnehmen, dass die Schüler*innen der Peter-Weiss-Gesamtschule die Partei CDU als wichtigste Interessenvertreterin in das Europäische Parlament schicken würden. Ihr folgten Bündnis 90/Die Grünen, DIE PARTEI, die SPD und Die Linke.
Die Zukunftswerkstätten zur Europawahl 2019 sind ein Projekt des Europe Direct Dortmund in Zusammenarbeit mit der Stadt Dortmund und den Jungen Europäischen Föderalisten NRW e.V.
Text: Eileen Eisenhut, Auslandsgesellschaft.de e.V.
Fotos: © Malin Roppel, Auslandsgesellschaft.de e.V.